Auf der östlichsten der ostfriesischen Inseln (das noch weiter östlich liegende Minsener Oog gilt nicht als Insel, sondern als ein künstliches Strombauwerk) fährt seit 1897 die 1000mm-spurige Wangerooger Inselbahn. Die besondere politische Situation der Insel, die als einzige zum Großherzogtum Oldenburg und nicht zum Königreich Preußen gehörte, sorgte in Bezug auf den aufkommenden Bädertourismus Ende des 19. Jahrhunderts für besondere Aufmerksamkeit der Verantwortlichen, was sich vor allem darin äußerte, dass die Großherzoglich Oldenburgische Eisenbahn selbst – also die Staatsbahn! – den Bahnbau und Betrieb übernahm. Die geographischen Rahmenbedingungen waren im Übrigen durchaus mit denen der anderen Inseln vergleichbar.
Die wichtigsten Eckdaten der Geschichte der Wangerooger Inselbahn sind in der nachfolgenden Zeittafel aufgeführt. Erheblich detaillierter wird die Geschichte auch in dem Buch »Wangerooge - Die Inselbahn und ihre Geschichte« von Malte Werning, Autor dieser Website, dargestellt. Das Buch ist leider nur noch antiquarisch erhältlich, eine Neubearbeitung ist aber in Planung. Über Ergänzungen und Korrekturen freuen wir uns immer.
12.03.1897 | Der Oldenburger Landtag stimmt dem Bau einer 1000mm-spurigen Bahnstrecke zwischen dem Inselort und einer geeigneten Stelle im Watt südwestlich der Insel Wangerooge zu. Anfänglich ist von einer Pferdebahn die Rede, dann wurde bereits mit Dampfbetrieb geplant. |
03.07.1897 | Der erste Dampfzug weiht die Wangerooger Inselbahn ein. Die Bahn befuhr im Wattbereich einen eigens aufgeschütteten Damm, der nur an einigen Stellen für den Wasserdurchlass in eine Pfahljochstrecke überging. Südlich des Bahnhofs bog das Gleis auf die Chaussee ein, fuhr am Leuchtturm vorbei und fand ihren Endpunkt am heutigen Rosengarten. |
1898 | Da der Anleger bereits im September 1897 zur Nachsaison aus Schutz vor der rauhen Jahreszeit wieder zurückgebaut werden musste, gab es sofort Überlegungen, einen zweiten winterfesten Anleger zu bauen. Über eine Stichstrecke wurde dieser noch 1898 angefahren und als "Reedeanleger" oder "Winteranleger" bezeichnet. |
Dezember 1899 | G.O.E. und die Kaiserliche Werft in Wilhelmshaven vereinbaren, dass die Marine die Inselbahngleise auch für ihre Zwecke verwenden darf, sofern dadurch der normale Bahnverkehr nicht gestört wird. |
04.07.1901 | Die Kaiserliche Marine eröffnet ein auf der Höhe Saline abzweigendes Stichgleis, das zu den Befestigungsbauten im Westen der Insel führt. |
1904 | Die G.O.E. baut auf der Grundlage mit Verträgen mit dem Norddeutschen Lloyd eine am Leuchtturm abzweigende Strecke Richtung Osten, die die gesamte Insel bis an die Ostspitze überfährt. Hier baut der Lloyd den neuen Ostanleger, der nun erstmals tidefrei über die Jade angefahren werden kann und für eine feste Verbindung nach Bremerhaven und Wilhelmshaven sorgt. |
1906 | Auf Wangerooge fahren mittlerweile drei Loks, der Bahnhof im Ort platzt aus allen Nähten. Ab Januar 1905 beginnen die konkreten Planungen zum Bau eines neuen Durchgangsbahnhofs südlich des Leuchtturms, der hier auch heute noch besteht. Am 1. Juni 1906 wird das neue Empfangsgebäude in Betrieb genommen. Bis 1907 wird auch eine Bahnsteighalle errichtet. |
1910 | Die G.O.E. nimmt auf Wangerooge die Lok 4 in Betrieb. Zu diesem Zeitpunkt hat die Bahn zehn Personenwagen im Einsatz, darunter auch den ersten vierachsigen. Zwischen der G.O.E. und der Gemeinde Wangerooge besteht seit dem Vorjahr ein Vertrag, der die Betriebsübernahme durch die Gemeinde für die Winterzeit vorsieht. Die Gemeinde ist damit befugt und beauftragt, den Betrieb auch in der unwirtlichen Jahreszeit durchzuführen und so ihre Anbindung an das Festland in Eigenregie weiterzubetreiben. 1912 beschafft die Gemeinde deshalb den Dampfer "Harle" für eigene Zwecke. |
1912 | Der Erste Weltkrieg kündigt sich auf der Insel durch zahlreiche Befestigungen an. Der Westgrodendeich entsteht. Zudem sollten im Westen schwere 30,5-cm-Geschütze aufgestellt werden. Um das zu bewerkstelligen, baut die Marine ab der Saline ein neues Militärgleis ins Watt, dass rund 150 Meter östlich des Winteranlegers an einer deutlich massiveren Brücke endet, die als "Marinebrücke" oder "Kanonenbrücke" bezeichnet wird. An der Saline entsteht ein Gleisdreieck, so dass die an der Brücke gelöschten Geschütze direkt in den Westen rollen können. |
1917 | Noch während des Ersten Weltkrieges, der für eine Vielzahl neuer Anschlussgleise im Westen der Insel sowie für die Sprengung des Westturms sorgte, wird die "Kanonenbrücke" auch für den zivilen Verkehr freigegeben, so dass die Inselbahnzüge von hier aus direkt in den Ort rollen können. Dazu entsteht an der Saline ein Gleisdreieck. Die alte G.O.E.-Strecke zum Sommer- und Winteranleger wird kurz darauf abgebaut. |
1920 | Die G.O.E. geht in die neuen Reichseisenbahnen des Deutschen Reiches über, und mit ihr auch die Wangerooger Inselbahn. Die Loks 1 und 2 sind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betrieb. Dafür aber die Loks 3 bis 5, die in den Folgejahren die neuen Nummern 99 021 bis 023 erhalten. Die Fahrzeuge gehörten nun zur RBD Oldenburg und waren im Bw Oldenburg Hbf beheimatet. |
1929 | Henschel liefert die dreiachsige 99 211 nach Wangerooge, die als leistungsfähigste das Gros der Zugaufgaben übernimmt. Zwei Jahre zuvor wurden fünf weitere vierachsige Abteilwagen abgeliefert, so dass auf Wangerooge nun 16 Personenwagen zur Verfügung stehen. |
1932 | Am Ende des Westgrodendeiches entsteht ein neuer Westturm, der eine Nachbildung des 1912 gesprengten historischen Turms darstellt. Hierfür wird ein Baugleis von der Stammstrecke aus verlegt, das nach Beendigung der Arbeiten wieder abgebaut wird. Probleme macht der Ostanleger, der ständig versandet und deshalb zum zweiten Mal verlegt werden muss. |
1934 | Nachdem der dritte Ostanleger in Betrieb ist, wird das im Westen endende Gleis bis zum "Westturm-Cafe" verlängert. Die Inselbahn organisiert nun in den Sommermonaten Kaffeefahrten zum Cafe. Die Wagenremise im Ortsbahnhof wird um einen zweiständigen Lokschuppen erweitert. |
01.01.1935 | Die RBD Oldenburg wird aufgelöst, zuständig ist jetzt die RBD Münster. Die Beheimatung der Fahrzeuge verbleibt beim Bw Oldenburg. |
1936 | Westwaggon liefert drei sehr moderne Durchgangspersonenwagen 17-19 (C4ysm-36) auf die Insel. |
1939 | Die Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen trifft auch Wangerooge. Vor allem entlang der Weststrecke, aber auch im Osten entstehen zahlreiche neue Bunker, Geschützstellungen, Anschlussgleise und Batterien. Die Marine übernimmt de facto die Regie über die Inselbahn, wodurch es zu beträchtlichen Spannungen zwischen Reichsbahn und Militär auf der Insel kommt. Im April und Sommer kommt viel Material von den pfälzischen Lokalbahnen nach Wangerooge, so u.a. die Kastendampflok 99 081. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bricht der zivile Verkehr auf der Insel völlig zusammen. |
August 1942 | Die Dampfloks 99 021 und 022 müssen als "Petersendung" für die Ostfront in den Krieg ziehen und werden abtransportiert. Sie bleiben verschollen. |
25.04.1945 | Als strategisch wichtiges Ziel steht die Seefestung Wangerooge an diesem Tag im Fokus eines englischen Bombenangriffs, der die Insel regelrecht verwüstete. In 16 Minuten warfen Flugzeuge 6.067 Sprengbomben ab. Insgesamt kamen 335 Menschen ums Leben. |
Mai 1946 | Die Kriegsmarine hat in den Kriegsjahren neben dem umfangreichen Gleisbau auch mehrere Fahrzeuge nach Wangerooge gebracht. Die Fahrzeuge der Marine darf die Gemeinde Wangerooge daraufhin in ihr Eigentum übernehmen, darunter eine Deutz-Lok und eine Motordraisine. Neben Güterwagen wurden diese Fahrzeuge 1949 nach Spiekeroog veräußert. Die Fahrzeuge des Strombauressorts der Marine gehören dazu nicht, sie gehen später in den Bestand der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung über. |
07.09.1949 | Die Deutsche Bundesbahn wird gegründet, und auch die Wangerooger Inselbahn gehört zu dem neuen Staatsunternehmen. Einsatzfähig sind die Dampfloks 99 023, 081 und 211, während der Personen- und Güterwagenpark im Rahmen der Aufräumarbeiten auf der Insel notdürftig instandgesetzt wurde. |
05.1952 | Mit der V 11 901 erreicht die erste Diesellokomotive die Insel, die nicht über die Marine beschafft wurde. Die Gmeinder-Lok wurde auf der Basis der bekannten Heeresfeldbahntype HF 130 C neu gebaut und wird Stammlok. Nach ihrem Eintreffen wird 99 081 ausgemustert und verschrottet. |
1953 | Aus den Beständen der RBD Mainz erreichen 1953 und 1955 neun Zweiachser-Personenwagen die Insel, die als Ersatz für die fehlenden Personenwagen aushelfen und bis 1961 im Einsatz stehen. |
07.1957 | Nach den guten Erfahrungen mit der V 11 901 baute Gmeinder Anfang 1957 zwei weitere technisch gleiche Loks mit einem wesentlich gefälligeren Aufbau, die im Juli 1957 als V 11 902 und 903 in Betrieb genommen werden. Daraufhin endet der Dampfbetrieb auf der Insel, die Loks 99 023 und 99 211 werden ausgemustert. |
1958 | Nach den neuen Dieselloks schickt die DB die vierachsigen Weyer-Wagen der Baujahre 1909-1927 in das AW Limburg (Lahn), wo sie aus Teilen des laufenden Umbauwagenprogramms vollständig neue Wagenkästen erhalten. Die Wagen kehren im Laufe des Jahres 1959 wieder auf die Insel zurück. |
1959 | Wegen ständiger Versandung rechnet sich der Fortbestand des Ostanlegers nicht mehr. Die Oststrecke wird nach Beendigung der Saison aufgegeben und abgebaut. Entlang der Siedlerstraße bleibt ein längeres Gleisstück als Ausziehgleis des Bahnhofs erhalten. Die Reste des Ostanlegers können auch heute noch an der Ostspitze Wangerooges besucht werden. Die Dieselloks firmieren jetzt als Köf 99 501 bis 99 503. |
1963 | Zwei Personenwagen C4ism-35 der stillgelegten DB-Schmalspurstrecke Nagold - Altensteig erreichen Wangerooge. |
01.01.1968 | Mit der Einführung der neuen EDV-lesbaren Betriebsnummern werden die drei Dieselloks zur Baureihe 329 und firmieren nun als 329 501 bis 503. |
1969 | Das Gleisdreieck an der Saline wird aufgegeben, die Gleisverbindung zwischen Anleger und der Weststrecke gekappt und die Weichen ausgebaut. Kurz darauf entsteht der Betriebsbahnhof Steindamm nur wenige hundert Meter nördlich des Westanlegers. |
1971 | Von der Inselbahn Juist wird die dortige Lok "Heinrich" als Reservemaschine übernommen und als 329 504 eingereiht. |
01.06.1972 | Die BD Münster wird aufgegeben, offiziell gehört Wangerooge nun zum Gebiet der BD Hannover. |
06.1973 | Von der stillgelegten DB-Schmalspurstrecke Mosbach - Mudau übernimmt Wangerooge fünf vergleichsweise junge Neubauwagen, die allerdings im Eigentum des Landes Baden-Württemberg stehen und deshalb noch für Probleme sorgen. |
1981 | Es gibt erneut Fahrzeugzuwachs: Von Spiekeroog übernimmt die DB den Triebwagen, der als 699 001 ein Novum darstellt. Auch vier Personenwagen wechseln auf die Insel. |
04.1983 | Der Betriebsbahnhof Steindamm wird wieder aufgegeben. |
08.1988 | Westlich des Deichscharts entsteht die neue Müllpressstation der Insel mit einem eigenen Gleisanschluss. |
01.01.1992 | Der gemeinsame Nummernplan zwischen DB und der ostdeutschen DR bedeutet eine Anpassung der Nummern für die Wangerooger Loks. Als Meterspurfahrzeuge müssen alle Loks nun 100er-Nummern tragen. Die Dieselloks werden zu 399 101 bis 104, der Triebwagen zu 699 101. |
11.1992 | Eigentlich als günstiger Gebrauchtkauf gedacht, stellen zwei rumänische Faur-Loks, die erst vor Monaten fabrikneu an die August-Bebel-Hütte in Helbra (Kreis Eisleben) geliefert wurden, die Wangerooger Werkstatt vor ungeahnte Herausforderungen. Die Anpassungsarbeiten gestalten sich schwierig, erst 1994 kommen die beiden Loks als 399 105 und 106 in den Einsatz. Gleichzeitig tauscht die Inselbahn sämtliche Personenwagen aus und ersetzt sie durch 14 vergleichweise günstige Neubauten des DR-Raw Wittenberge. |
01.01.1994 | Mit der Auflösung der Deutschen Bundesbahn geht die Wangerooger Inselbahn an die Deutsche Bahn AG. |
1999 | Die Deutsche Bahn teilt die Inselbahn dem Unternehmen DB Reise & Touristik zu, der Fernverkehrssparte im DB-Konzern. |
16.04.1999 | Schöma liefert zwei fabrikneue Dieselloks aus, die auf Wangerooge als 399 107 und 108 in Betrieb genommen werden. Daraufhin werden alle Loks aus den 1950er-Jahren, also 399 101-104, abgestellt und ausgemustert. Im Vorjahr wurden bereits vier neue Flachwagen des DB-Werks Görlitz in Betrieb genommen, 1999 folgten weitere elf vierachsige Flachwagen aus dem Werk Meiningen, so dass die Bahn auf einen Großteil ihres überalterten Güterwagenparks verzichten konnte. |
2003 | Die Wangerooger Inselbahn wird der DB-Tochter DB Autozug GmbH mit Sitz in Dortmund zugeschlagen - ausgerechnet die autofreie Insel! |
01.10.2013 |
• Werning: Wangerooge - Die Inselbahn und ihre Geschichte. Hamburg 1999.
Die DB AutoZug GmbH wird aufgelöst und vollständig in das Mutterunternehmen DB Fernverkehr AG zurücküberführt. Damit wechseln auch alle Fahrzeuge der Wangerooger Inselbahn ihren Eigentümer.• Werning: Inselbahnen der Nordsee. München 2014. • Aufzeichnungen und Berichte von zahlreichen Eisenbahnfreunden und eigene Beobachtungen. |