Nach der Stillegung der Inselbahn Spiekeroog im Jahre 1981 geriet das einst unentbehrliche Verkehrsmittel keineswegs in Vergessenheit. Obwohl sich seit Ende 2000 kein Fahrzeug der Inselbahn mehr auf Spiekeroog befindet, bewahrt man hier auf ganz besondere Weise das Andenken an die alte Bahn: Spiekeroog hatte jahrelang die einzige Pferde-Museumsbahn in ganz Deutschland (seit 2007 existiert in Döbeln eine zweite)!
Zwischen dem Bahnhof und dem Cafe Westend pendelt in den Sommermonaten nachmittags bis zu sechs Mal das kleine Wägelchen mit genau 1 PS, und zwar auf genau der Trasse, auf der 1885 mit der Pferdebahn zum Herrenbadestrand die Keimzelle der Inselbahn entstand.
Schon bei ihrer Stillegung war den Spiekeroogern klar, dass man auch künftig nicht ganz auf die Bahn verzichten müsse. Dank der Initiative von Hans Roll, einem heute pensionierten Lehrer aus Pforzheim, konnte schon am 26. Mai 1981 das erste Mal auf den Inselbahngleisen ein Pferdebahnwagen rollen, der erst 1978 im Eigenbau bei dem Verein Straßenbahnmuseum Stuttgart aus Schönau entstand – die Inselbahn hatte erst zum 30. Mai ihren offiziell letzten Betriebstag. Auch ein zweiter "echter" Wagen aus dem Jahre 1899 kam auf die Insel, doch er stellte sich als zu schwer für Pferd und Gleis heraus und musste wieder zurückgegeben werden.
Während die alten Gleise bis Mitte der 1980er-Jahre zwischen dem Haltepunkt West und den Dünen kurz vor dem Anleger abgebaut wurden, blieb das Stammgleis für die Pferdebahn erhalten. Die Gräben entlang der Strecke wurden für die Pferdespur verfüllt, ebenso die Weichen im Bahnhofsbereich ausgebaut. Für die Unterbringung des Wagens wurde anfänglich der Güterschuppen genutzt. Das alte Ladegleis blieb daher als das einzige Gleis im Bahnhofsbereich liegen. Später wurde ein kleiner Wellblechschuppen errichtet, weil der Güterschuppen zur Bahnhofsgaststätte zugeschlagen wurde und zugemauert wurde. Seit 2003 kann der Wagen wieder standesgemäß in einer eigenen Garage mit Rolltor an der Kurverwaltung gegenüber des Bahnhofs abgestellt werden – hierfür wurde das ehemalige Bahnsteiggleis wieder aufgebaut, sowie ein Weichenabzweig für das Abstellgleis.
Hans Roll, obwohl im hohen Alter, stand noch jahrelang selbst auf dem Wagen und hielt die Zügel. Dabei hat der einmalige und mittlerweile schon fast 28 Jahre bestehende Pferdemuseumsbahnbetrieb auch schon schlechtere Zeiten erlebt: Als der Schönauer Verein, dem der Wagen gehörte, sich 1996 auflöste, stand die Bahn zwei Jahre lang still. Erst 1999 trabte das Pferd wieder entlang der verkrauteten Gleise. Nach Herrn Roll standen mehrere andere Pferdebahnfahrer auf dem kleinen Wagen. Seit April 2007 betreut Frau Friedrichs die Haflingerstute »Funny«, die die Urlauber in den Westen zieht. Der Museumsverein Spiekeroog ist der Eigentümer des Wagens.
Längst ist die Pferde-Museumsbahn auf Spiekeroog als echte Touristenattraktion anerkannt. So verwundert es nicht, dass vor einigen Jahren auch Investitionen in die Bahn anstanden, an der praktisch seit der Stillegung der Inselbahn nichts mehr gemacht wurde: Völlig verkrautete Gleise und sich auflösende Schwellen sprachen eine deutliche Sprache. Von der Langeooger Inselbahn konnten jedoch 2003 zahlreiche altbrauchbare Gleise übernommen werden, die bei der Streckenerneuerung dort überflüssig wurden. Es steht also gut um den Spiekerooger Pferdebahnbetrieb!
Update 17.06.2020: Wegen der anstehenden Sanierung des Deichtores, für die rund 2 Millionen Euro veranschlagt werden, ziehen dunkle Wolken für die Pferdebahn auf. Es steht zur Kosteneinsparung die Schließung des Tores und die Auffüllung der Deichlücke im Raum, die nur rund ein Viertel der Kosten verursachen würden. Dann aber könnte die Pferdebahn nicht mehr den Dorfbahnhof erreichen und müsste ihre Fahrt direkt am Deich beenden. Die Zukunft der Pferdebahn ist damit zurzeit offen.
Update 20.01.2021: Es gibt neue Hoffnung für Spiekeroogs Museums-Pferdebahn: Schon ab Mai 2021 soll Wagen 21 wieder zwischen dem Inselbahnhof und dem Haltepunkt West rollen. Nun hat der Inselmuseum e.V. nach einer alternativen Lösung gesucht und sie in Form von Dammbalken gefunden, die außerhalb der Saison in doppelter Reihung die Deichdurchfahrt schützen. Die Kosten für diese Variante werden auf lediglich 100.000 Euro geschätzt. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat das Gutachten des vom Inselmuseum e.V. beauftragten Ingenieurbüros Bröggelhoff GmbH geprüft und für die Durchführung der Sanierung grünes Licht erteilt, schreibt die Interneteite des Inselmuseums. Unter der Adresse www.inselmuseum-spiekeroog.de/rettetdiepferdebahn gibt es zahlreiche Infos und auch einen Spendenaufruf. Ab einem Spendenbetrag von 10 Euro wird jeder Spender auf einer Tafel verewigt. Die Summe von 100.000 Euro muss bis Sommer gesammelt sein.
Malte Werning