Im Jahre 2007 begann die Borkumer Kleinbahn mit einer umfangreichen Gleiserneuerung auf ihrem Streckennetz. Für inselbahn.de hat Jens Grünebaum hierzu diesen schönen Bericht verfasst.
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Fotogalerie Der große Gleisumbau 2007
Situationsbericht 15.-22.09.2007
»Eine Seefahrt, die ist lustig....«, könnte man die Zugfahrt vom Hafen bis zum Dorfbahnhof benennen. Schaut man durch die offenen Waggontüren, gerät man leicht ins Schwanken. Dies ist nicht verwunderlich, wurde doch das Streckengleis 1987 letztmalig großflächig instandgesetzt. Eine Erneuerung war zur sicheren Durchführung des Bahnbetriebes auf Borkum dringend notwendig.
Bereits seit Mai 2007 werden im Rahmen einer enormen logistischen Leistung die Baumaterialien auf die Insel gebracht. Fuhr man mit dem Zug von der Reede zum Bahnhof, sah man überall neben der Strecke die speziell für Borkum angefertigten 900-mm-Betonschwellen liegen. Sie wurden bei der ThyssenKrupp GfT Gleistechnik gefertigt. Die bisher verwendeten Holzschwellen werden aufgrund der geringeren Lebensdauer im rauen Nordseeklima auf Borkum nicht mehr verwendet. Insgesamt sollen es mehr als 10.000 Stück sein. Mit ca. 185 kg pro Schwelle kein leichter Brocken für den sandigen Inselboden. Die Schienen werden ebenfalls von ThyssenKrupp liefert. Wochentags fuhren hierfür täglich bis zu fünf Sattelzüge mit 18 Metern Länge mit der Autofähre von Eemshaven nach Borkum. Auf der Insel angekommen, wurden diese an der Reede mittels eines Baggers entladen und auf die drei im Bestand der Kleinbahn gebliebenen Flachwagen 9, 60 und 62 verladen.
Für die Gleiserneuerung wurde eigens der ehemalige Handgepäckwagen Nummer 9 zum Flachwagen umgebaut und einer Hauptuntersuchung unterzogen. Für die Kleinbahn wurde er 1925 von O&K als zweiachsiger O-Wagen gebaut. 1966 wurde er in der eigenen Werkstatt als so genannter Handgepäckwagen umgebaut und mit einer Handbremse inklusive Bremserbühne versehen. Ende der 1990er-Jahre sollte der Wagen eigentlich verschrottet werden. Doch hinter und unter jeder Menge Kleinbahnschrott überlebte der Wagen, bis er schließlich Anfang 2007 als Flachwagen Verwendung finden konnte. Tatsächlich wurde er dann im Februar 2007 seiner völlig vergammelten Aufbauten beraubt, die Handbremse ausgebaut und zum Flachwagen zurückgebaut.
Nach diesem kurzen Ausflug in die Wagengeschichte zurück zum Streckenumbau: Nach der Verladung im Hafen auf die Flachwagen wurden die Gleisbaumaterialien auf die Strecke gefahren. Dort wurden sie dann an der jeweiligen Stelle mittels eines Minibaggers entladen und in den Randbereichen der Strecke gelagert. Danach wurden die (wegen der eingeschränkten Platzverhältnisse auf den Fährschiffen) nur 18 Meter langen Schienstücke von der Firma Klaus Thormählen zu 60 Meter langen Schienen verschweißt. Am 11. September 2007 war der Schweißtrupp vom Hafen aus bereits hinter dem Deichtor bei der Arbeit.
Zur gleichen Zeit wurde ab 4. September 2007 der Streckenabschnitt zwischen dem Fährhafen und dem Bahnübergang »Zum neuen Hafen« komplett erneuert und mit einer festen Fahrbahn versehen. Zuerst wurde das Richtungsgleis Bahnhof - Reede in diesem Teilstück abgebaut. Um den Betrieb eingleisig abwickeln zu können, wurde hierzu ungefähr 350 Meter vor dem Bahnübergang »Zum neuen Hafen« eine Bauweiche eingebaut. Da es sich um eine später im Hafen zu verwendende Weiche handelte, ist hier ihre Lage nicht ganz optimal. Wenn der Zug von der Reede kam, musste er zunächst mittels einer Gleisverschwenkung auf das andere Richtungsgleis, um dann über die Weiche wieder auf das Gleis in Richtung Ortsbahnhof zu fahren. Aufgrund der engen Radien kam es trotz Probefahrten am Samstag, den 8. September 2007 beim 10.15-Uhr-Zug von der Reede zu einem Unfall. Bei der Durchfahrt der Gleisradien überpuffern die Wagen 44, 51 und 53 so stark, dass sie entgleisen. Mittels eines Autokrans der Firma Welfe wurden die Wagen innerhalb von zwei Stunden wieder eingleist. Der Zug und der Fährfahrplan waren danach nur noch Makulatur.
Nach der Räumung der Unfallstelle wurde ein Teil der Wagen an der Reede abgestellt. Die Wagen 57, 56, 53 und 51 wurden von Lok Emden zum Ortsbahnhof gefahren, wobei die beiden Bremswagen 56, und 57 in der Wagenhalle abgestellt wurden. Aufgrund ihrer Beschädigungen wurden die beiden anderen Wagen gleich in die Werkstatt gefahren. Hier wurden ab Montag, den 10. September 2007 die abgebrochenen Puffer und die verzogenen Drehgestelle des Wagens 51 ausgebaut. Aufgrund der starken Schäden des Drehgestells muss es gegen ein Reservedrehgestell getauscht werden. Ein weiterer Einsatz des historischen Zuges war somit für September 2007 nicht mehr vorgesehen.
In der zweiten Septemberwoche waren die Arbeiten im ersten Bauabschnitt weit fortgeschritten. Hier lag eine besondere Schwachstelle der Kleinbahn. Bei höheren Fluten stand das Stück vom Fährhafen bis zum Bahnübergang »Zum neuen Hafen« ständig unter Wasser. Die Gleise lagen somit nicht richtig gesichert im aufgeweichten Sandboden und es konnte leicht zu Unfällen kommen. Wenn die Gefahr einer Überschwemmung der Gleise besteht, wurde deshalb meistens im Schienenersatzverkehr gefahren. Daher hatte man sich hier entschlossen, die Gleise auf einer 25 cm dicken Betonfahrbahn zu verlegen, um das »Absaufen« der Strecke zu verhindern. Nach dem Vergießen der Betonfahrbahn wurden dann Schwellen und Schienen ausgerichtet, um danach eingeschottert zu werden.
Insgesamt wurden für die Baumaßnahme ca. 10.000 Schwellen, 14,5 Kilometer Schienen und 16.000 Tonnen Schotter benötigt. Dies ist alles zwischen Mai und September 2007 auf die Insel gebracht worden - eine logistische Meisterleistung. Insgesamt investierte die Borkumer Kleinbahn ca. 3,5 Millionen Euro in die Erneuerung der Kleinbahnstrecke, um einen langfristigen Betrieb sicherstellen zu können. Die ernormen Kosten sind zu 50% durch das Land Niedersachsen mitfinanziert worden. JENS GRÜNEBAUM